Das Bild zeigt einen Zeitungsstapel. Der Artikel geht der Frage nach, ob der Trend des Clickbaiting auch im Printjournalismus zu schlechten Überschriften führt.

Clickbaiting ohne Sinn und Verstand

Im Zuge der Digitalisierung der Medien verändert sich auch die Sprache. Leider nicht immer zum Guten. Erst kürzlich beispielsweise las ich im Wirtschaftsteil der Süddeutschen Zeitung den folgenden Einstieg

Abgehängt

Google, Uber, Apple drängen auf den Milliardenmarkt für selbstfahrende Autos. Aber jetzt ist dem Silicon Valley ein ziemlich wichtiges Bauteil ausgegangen. Gut für ein Tech-Unternehmen aus Israel.

Was mich daran stört? In diesem Vorspann wird so gut wie nichts verraten: Nicht, worum es geht. Nicht, um was für ein Bauteil es sich handelt, das angeblich so wichtig ist. Und auch nicht, welches Unternehmen dieses geniale Teil produziert. Was soll das?

Aus Blogs und Online-Medien kennen wir diese Unsitte ja schon länger: Der Vorspann wird so getextet, dass er neugierig macht und zum Weiterlesen animiert. Dem Leser werden dabei bewusst wichtige Informationen vorenthalten, ohne die er den Text nicht verstehen kann. Wenn er wissen will, was dahinter steckt, muss er auf den Beitrag klicken. Clickbaiting nennt man das. Das darf man ruhig wörtlich nehmen: Der Autor legt einen sprachlichen Köder aus, auf dass die Beute – also der Leser – anbeißen und dem Autor in die Falle gehen möge.

Im werbefinanzierten Online-Journalismus sind Klicks die Basis des Geschäftsmodells. Je mehr Leser dazu verleitet werden, den Beitrag zumindest anzulesen, desto öfter klingelt beim Blogger oder dessen Verleger die Kasse. Dass es sich dabei um einen ziemlich dreisten Versuch handelt, die Leser zu manipulieren und zum Klicken eines Artikels zu verleiten, der sie möglicherweise gar nicht interessiert, wird dabei billigend in Kauf genommen.

Das ist zwar zynisch und hat mit Journalismus nichts zu tun, ist aber zumindest ökonomisch nachvollziehbar. Aufmerksamkeit ist nun mal die Währung des Internets. Für die Konsumenten bedeutet das: Wer seine Informationen hauptsächlich in Gratis-Medien zusammensucht, muss eben damit leben, dass er einen erheblichen Teil seiner Zeit und Aufmerksamkeit verschwendet.

Aber gilt das auch für eine Tageszeitung? Hier greift das ökonomische Kalkül ja nicht, dass jeder zusätzlich (an-)gelesene Artikel der Zeitung zusätzliche Einnahmen verschafft. Schließlich haben die Leser für ihre Zeitung bereits bezahlt, bevor sie überhaupt zu Lesern anfangen. Dürfen sie dafür nicht etwas mehr Wertschätzung von den Journalisten erwarten?

Offenbar nicht. Jedenfalls hat die Unsitte des Clickbaitings längst auch die Printmedien erfasst. Selbst in Qualitätszeitungen wie der Süddeutschen oder der FAZ ist man davor nicht mehr sicher. Ganz zu schweigen von der Welt, deren Redaktion sich schon lange den Spieregeln des Blogjournalismus unterworfen hat.

Aber ist es denn nicht legitim, den Artikel so aufzubereiten, dass er möglichst viele Leser findet? Ich meine: nein. Um deutlich zu machen, worum es mir geht, hier mal ein Beispiel, wie der Vorspann noch vor wenigen Jahren getextet worden wäre:

Das israelische Unternehmen Mobileye profitiert stark vom Trend zu selbstfahrenden Autos. Es produziert Radare und Kameras, die Straßen erkennen und vermessen können.

Die klassische Art des Texteinstiegs soll den schnellen Leser darüber informieren, was ihn in dem Beitrag erwartet. Vielleicht möchte er mehr erfahren und liest daraufhin den ganzen Beitrag. Vielleicht aber auch nicht, und er entscheidet sich, lieber an anderer Stelle weiterzulesen. Der Unterschied zu oben: Der Leser kann frei entscheiden. Er wird nicht manipuliert, sondern informiert.

Der Vorzug einer guten Zeitung ist es, dass sie ihre Leser ernst nimmt und nicht als „Beute“ begreift. Stattdessen liefert er ihnen das wonach sie suchen: Sauber recherchierte Informationen, handwerklich gut aufbereitet und eingeordnet. Deshalb, liebe Journalisten: Lauft nicht gedankenlos jeder Mode hinterher, die das Internet hervorbringt. Ihr könnt dabei nur verlieren.

Bildnachweis: Script Consult / Christine Buhl