Das Bild zeigt verschiedene Kennzahlen. Der Artikel beschreibt wie NGOs ihre Kommunikation messen können.

Mehr Wert für eine bessere Welt? – Kommunikationscontrolling von NGOs

Nichtregierungsorganisationen sind Kampagnenmaschinen. Sie verkaufen nichts, sie suchen keine Investoren. Sie wollen aufklären und zur Änderung von Meinung und Verhalten beitragen. Wie gut gelingt ihnen das? Erreichen Sie ihre politischen Ziele? Dieser Beitrag zeigt wie NGOs ihre Kommunikation evaluieren und steuern können.

Anders als bei Unternehmen stehen bei NGOs gesellschaftliche Ziele im Vordergrund. Entsprechend müssen bei PR-Evaluation und Kommunikationscontrolling die Unterschiede von NGOs ggb. privatwirtschaftlichen Unternehmen berücksichtigt werden:

  • Leistung: Themen-/Kampagnen-Kommunikation anstelle von Produkte bzw. Dienstleistungen
  • Stakeholder: Mitglieder anstelle von Kunden
  • Shareholder: Spender anstelle von Anteilseigner
  • Ziele: gesellschaftliche Wertschöpfung anstelle von marktlichem und ökonomischem Return on Investment (ROI)

Eine Perspektive bietet die Verbindung des Logic-Modells für Non-Profit-Organisationen (NPO) mit dem Wirkungsstufen-Modell von Deutscher Public Relations-Gesellschaft (DPRG) und Internationalem Controller Verein (ICV). Beide Modelle verfügen mit der Input-Output-Outcome-Logik über ein hohes Maß an konzeptioneller und begrifflicher Übereinstimmung. Das Logic-Modell bietet mit dem „Social Impact“ eine zusätzliche Wirkungsstufe. Sie zielt auf die gesellschaftliche Wertschöpfung. Zusätzlich unterscheidet dieses Modell zwischen Brutto- und Nettowirkungen. Im ersten Fall geht es ganz allgemein um Veränderungen, im zweiten Fall um jene Effekte, die ohne die Kampagne nicht eingetreten wären.

Auf dieser Basis lassen sich die Brutto- und Netto-Wirkungen der NGO-Kommunikation in sieben Schritten messen und bewerten.

1. Schritt: Aufbau von Strategy Maps für die NGO-Kommunikation

Im ersten Schritt werden die Dimensionen der Balanced Scorecard auf NGOs übertragen und in Strategy Maps hierarchisiert (Abb. 1). Dabei wird die gesellschaftspolitische Dimension mit dem Social Impact an die Spitze der NGO-Map gestellt. Allen fünf Dimensionen werden NGO-spezifische Ziele zugeordnet. Dabei rücken die Mitglieder sowie haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter an die Stelle der Kunden. An die Stelle der Investoren und treten die Spender. Produkte oder Dienstleistungen werden durch Kampagnen ersetzt.

Abbildung 1: Generische Strategy Map für NGOs.

2. Schritt: Befragung zu Wahrnehmungen und Meinungen (Nah- und Fernbild)

Im zweiten Schritt werden die Wahrnehmungen, Meinungen und Unterstützungsbereitschaft der Bevölkerung in den fünf Dimensionen der NGO-Strategy-Map im Rahmen einer Befragung erhoben. Zusätzlich werden die Bürger/-innen gefragt, ob sie sich an Kommunikationsaktivitäten der NGO erinnern können, und ob sie über persönliche Erfahrungen mit dem Thema bzw. der NGO verfügen. Auf dieser Basis können später im Rahmen der Auswertung Bevölkerungsgruppen mit und ohne Erfahrung (erfahrungsgeprägtes „Nahbild“ versus kommunikativ vermitteltes „Fernbild“) sowie mit und ohne Kommunikationskontakt systematisch verglichen werden.

3. Schritt: Fragen zum Meinungsklima

Insbesondere bei Befragten ohne eigene Erfahrungen mit einem Thema oder einer NGO werden Wahrnehmungen und Meinungen auch durch Gespräche im persönlichen Umfeld und Medienberichte geprägt. Um diesen Einfluss auf Kommunikationswirkungen zu messen, werden die Befragten im dritten Schritt gebeten, zusätzlich die Bevölkerungs- bzw. Mehrheitsmeinung („Meinungsklima“) einzuschätzen.

4. Schritt: Bestimmen von Konsens, Dissens und Fehleinschätzungen

Um im vierten Schritt die Kommunikationsbeziehung zwischen NGO und Bevölkerung zu evaluieren, werden schließlich die Wahrnehmungen und Meinungen der NGO, ihre Einschätzung des Meinungsklimas sowie die tatsächliche Meinungsverteilung gegenübergestellt (Abb. 2). Die tatsächlichen bzw. wahrgenommenen Abweichungen zwischen den Positionen geben Aufschluss darüber, wie stark die NGO und Bevölkerung übereinstimmen („Understanding“) und wie genau die NGO die Meinung der Bevölkerung wahrnimmt („Accuracy“). So können auch Fehleinschätzungen entdeckt werden („Congruency“).

Abbildung 2: Modell für die Koorientierung zwischen Organisationen und Gruppen in der Öffentlichkeit (nach Broom).

5. Schritt: Systematischer Vergleich der Befragungsergebnisse

Im fünften Schritt werden Nah- und Fernbild sowie tatsächliche sowie wahrgenommene Mehrheitsmeinung kombiniert (Abb. 3). Studien haben gezeigt, dass durch Kommunikationsmaßnahmen vor allem das Fernbild sowie das wahrgenommene Meinungsklima beeinflusst werden können. Personen, die bei einem Thema über eigene Erfahrungen verfügen, ändern seltener ihre Meinung – und das auch, wenn sich ihre Wahrnehmungen und Meinungen vom Meinungsklima unterscheiden.

Abbildung 3: Analyse-Schema des Meinungsklima-/Koorientierungsmodells für NGOs.

6. Schritt: Bestimmen der Kommunikationsleistung von NGOs

Im sechsten Schritt wird die Leistung der NGO-Kommunikation bestimmt. Die erzielten Wahrnehmungs- und Meinungswerte in der Bevölkerung entsprechen der Bruttowirkung. Die Kommunikationsleistung (Nettowirkung) resultiert aus der Differenz der Werte bei Befragten mit und ohne Erinnerung an Kommunikationskontakte mit der NGO (Abb. 4). Die kommunikative Wertschöpfung entspricht den höheren Wahrnehmungs- und Meinungswerten bei Personen, die sich an Kommunikationskontakte mit der NGO erinnern. Sie können den eigenen Kommunikationsmaßnahmen der NGO zugerechnet werden.

Abbildung 4: Bestimmung des Wertschöpfungsbeitrags durch Kommunikation.

7. Schritt: Bestimmen des Wertschöpfungsbeitrags der NGO-Kommunikation

Die strategische Wertschöpfung ist schließlich die durch Kommunikationskontakte erzielte höhere Unterstützungsbereitschaft durch die Bevölkerung. Auf Basis der Ziele in der Strategy Map (Abb. 1) der NGO kann sie getrennt für alle fünf Dimensionen bestimmt werden. Die Steuerung der NGO-Kommunikation kann mithilfe der Ergebnisse dieses Modells auf der Ebene von Themen und Inhalten (Wahrnehmungen, Meinungen, Unterstützungsbereitschaft) wie der Zielgruppen (Nah-/Fernbild) als auch der Kommunikationskanäle erfolgen.

Ein ausführliche Beschreibung des Ansatzes sowie Forschungsergebnisse zum Einsatz von Evaluation und Controlling der NGO-Kommunikation mit praktischen Anleitungen, generischen Werttreiberketten und Muster-Scorecards zur Bestimmung des Kampagnen- und Organisationswerts finden Sie hier:

Bürker, Michael (2018): „Mehr Wert für eine bessere Welt?“ Evaluation und Controlling der Kommunikation von Nichtregierungsorganisationen (NGO). In: Handbuch NGO-Kommunikation. Hrsg. v. Nadine Remus & Lars Rademacher. Wiesbaden: Springer VS. Seite 461-487.