Von der Pflicht zur Kür

„Tu Gutes und sprich darüber“. Auf kein Thema passt dieser – zugegeben – etwas abgegriffene Spruch wohl besser als zur Kommunikation rund um die Nachhaltigkeit in Unternehmen. Gesprochen wird auch schon – seit 2017 sind große Betriebe per Gesetz dazu verpflichtet, regelmäßig einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Aber: Kann so eine umfassende Publikation das richtige Mittel sein, um allen Zielgruppen die ökologischen, ökonomischen und sozialen Anstrengungen einer Firma nahe zu bringen? Wohl kaum.

Apropos Anstrengung: Hatten Sie schon einmal einen Nachhaltigkeitsbericht in der Hand? Hand aufs Herz – auf welcher Seite sind Sie ausgestiegen? Und wie viele der Daten und Fakten haben Sie sich tatsächlich gemerkt? Bitte nicht falsch verstehen: Nachhaltigkeitsberichte sind in Zeiten von Klimawandel und Ressourcenknappheit wichtig und richtig. Die meisten Ergebnisse sind inzwischen wirklich ansprechend und informativ gestaltet. Und erfüllen das wichtige Ziel der 2017 geschaffenen CSR-Richtlinie (Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten): dass sich Unternehmen nicht nur mit finanzgetriebenen Themen beschäftigen, sondern auch mit sozialen, ökonomischen und ökologischen.

Kleiner Wermutstropfen: Nachhaltigkeitsberichte entstehen nach einem mehr oder weniger starren Raster, nach strengen, gesetzlichen Vorgaben. Und das bedeutet: Viel Fachchinesisch. Viele Tabellen. Viele Kuchendiagramme. Da freut man sich als geplagte:r Leser:in über jedes noch so kleine Schmuckbild – und wenn es sich dabei auch um das gern genommene Motiv „Hand-mit-Erde-und-Pflanzentrieb“ handelt. Klar, Sie kennen es. Wir haben es auch schon verwendet.

Neue Regeln, neue Chancen

Eines ist klar, die Papier- oder hoffentlich (!) PDF-Seiten-Flut wird sich ab 2024 noch einmal drastisch erhöhen. Ab dann wird die Berichtspflicht nämlich erweitert und auch mittelständische Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden müssen dann regelmäßig darüber informieren, wie und in welchem Umfang sie nachhaltig agieren. Derzeit sind davon nur Firmen betroffen, die 500 oder mehr Menschen beschäftigen. Das sind rund zehnmal so viele Betriebe als bisher.

Im Grunde ist das natürlich eine gute Nachricht für unseren Planeten. Wer über Nachhaltigkeit schreibt, muss im Vorfeld auch entsprechend dafür gesorgt haben. Die regelmäßige Berichterstattung sorgt nicht nur für eine informiertere Öffentlichkeit. Sie schafft auch wichtige Anreize für andere, sich verstärkt mit ökologischen und sozialen Fragen, mit der Achtung von Menschenrechten oder mit den Herausforderungen zur Bekämpfung von Korruption zu beschäftigen.

Dieser Trend hat inzwischen ganz schön Fahrt aufgenommen. In nachhaltige Entwicklungen fließen mittlerweile enorme Summen. Über 44 Milliarden Euro haben Unternehmen aus Deutschland letztes Jahr allein in Energieeffizienz und Klimaschutz investiert. Aber auch das Thema Arbeitssicherheit und die damit verbundene Steigerung der Attraktivität als Arbeitnehmer gewinnt mehr und mehr an Bedeutung.

Die verschiedenen Stakeholder hierüber auf dem Laufenden zu halten, bietet für jedes Unternehmen vor allem eines: immense Chancen. Dies gilt insbesondere für kleinere und mittlere Betriebe, die sich in der Regel durch Flexibilität und Innovationskraft auszeichnen. Nie war das Bewusstsein in der Bevölkerung für nachhaltige Angelegenheiten geschärfter als heute. Vor allem die in der Regel von Werbetreibenden so begehrten jungen Zielgruppen sind für Good News über ihre Welt von morgen mehr als empfänglich.

Ein Bericht ist nicht genug

Kommunikation tut also Not. Unternehmen sollten dabei aber – wie bei anderen Anlässen – sowohl auf die richtige Form, als auch auf die geeigneten Kanäle achten. Ein oft mehrere hundert Seiten umfassender Nachhaltigkeitsbericht führt zwar die ökologischen, ökonomischen und sozialen Wohltaten komplett auf. Doch komplett heißt eben auch komplex. Und deshalb ist es, wie eingangs beschrieben, beizeiten recht mühsam, daraus die wesentlichen, prägnanten Fakten herauszulesen und sich so ein neues, positives Bild über eine Firma zu verschaffen.

Diese Schwierigkeit könnte sich mit der erweiterten Berichtspflicht noch erhöhen. Denn neben der Ausweitung auf mehr Unternehmen werden ab 2024 auch für die Inhalte neue, verbindliche Standards gelten. Sie sollen für mehr Transparenz und Vergleichbarkeit sorgen. Was sich jedoch wahrscheinlich nicht auf die Lesefreundlichkeit auswirken wird. Auch der zeitliche Turnus für die Berichterstattung – alle drei bis vier Jahre – ist eher suboptimal, um über nachhaltige Aktivitäten zu informieren. Denn sicherlich wird es auch zwischendurch immer wieder positive Errungenschaften geben, die es wert sind, veröffentlicht zu werden.

Eine weitere Herausforderung stellt die Verbreitung dar. Wie groß ist die Chance, dass der neueste Nachhaltigkeitsbericht von den potenziellen Leser:innen überhaupt entdeckt wird? Auf der Firmenwebsite ist er meist recht gut versteckt. Ihn in seiner vollen Größe einmal um die Welt zu schicken, ist weder zielgruppen- noch klimafreundlich. Und würden Sie aktiv auf die Suche nach einem Nachhaltigkeitsbericht gehen, um sich über ein bestimmtes Unternehmen auf dem Laufenden zu halten, dessen Produkte oder Leistungen Sie nutzen? Eben.

Nachhaltigkeit kommunizieren – aber wie?

Bei der Planung der richtigen Kommunikationsstrategie müssen viele Fragen geklärt werden: Welche einzelnen Botschaftshäppchen sollen vermittelt werden? Über welche Medien, an welche Zielgruppen, in welcher Tonalität? Und wie vermeidet man den Eindruck von Greenwashing? Nachhaltigkeitskommunikation erfordert viel strategisches Fingerspitzengefühl. Denn die Grenze zwischen Aufmerksamkeit und Aufdringlichkeit ist hier besonders schmal. Informationen über Nachhaltigkeit müssen authentisch sein, glaubhaft, verständlich und nachvollziehbar. Deshalb ist es wichtig, die Teams des Nachhaltigkeitsmanagements und der Kommunikation an einen Tisch zu bringen.

Und dann darf der Kreativität keine Grenzen gesetzt werden. Wie wäre es mit einer Tiktok Story zum Veggie Day in der Kantine? Mit einer Pressemitteilung zur neuen Solaranlage auf dem Dach der Fertigungsanlage? Einem Artikel im Newsletter mit Ideen, wie Papier und andere Verbrauchsmaterialen eingespart werden können? Oder einem monatlichen Podcast mit regelmäßigen Updates zu den Klimaschutz-Aktivitäten verschiedener Teams im Unternehmen?

Übrigens: Bevor externe Zielgruppen informiert werden, gilt es, erst einmal die Mitarbeitenden ins Boot zu holen. Denn von deren Seite erfahren Unternehmen meist die größte Unterstützung, wenn es um die Umsetzung der gesteckten Nachhaltigkeitsziele geht.

Die Liste an Möglichkeiten, über Nachhaltigkeit im Unternehmen zu berichten, ist schier unendlich. Mit den daraus entstehenden Chancen kommen Firmen in ganz neue Dimensionen der Kommunikation. Und unsere Erde ihrer Rettung ein gehöriges Stück näher.