Kunst trifft Kommunikation: Tapetenwechsel mit Wirkung

Unsere Agentur brauchte mal wieder einen Tapetenwechsel – im wahrsten Sinne des Wortes. Statt frischer Farbe haben wir uns für neue Perspektiven entschieden und mit der Conceptual-Art-Künstlerin Eva Weinmayr zusammengearbeitet, die unsere Räume am Isartor mit ihren Arbeiten ausgestattet hat. Entstanden ist eine kleine Ausstellung, die sich dem Thema „Kommunikation“ in all seinen Facetten widmet.

Die Werke wurden erstmals an einem Abend im Juli 2025 präsentiert – bei kühlen Getränken, kleinen Häppchen und spannenden Gesprächen mit unseren Gästen: Kund:innen, Partner:innen, Freund:innen, dem gesamten SCRIPT Team – und der Künstlerin selbst. In diesem Artikel stellen Ihnen die einzelnen Werke und ihren Hintergrund ein wenig näher vor.

Road Signs

In der Zehn-Millionen-Metropole London gibt es jeden Tag hunderte von Straßenbaustellen – um Gasrohre zu erneuern, Wasserschäden zu reparieren, Internetkabel zu verlegen oder ganze Straßenzüge mit neuem Fahrbahnbelag auszustatten. Die Baustellen werden jeweils mit simplen Verkehrsschildern abgesichert, die in primitive Metallgestelle eingespannt werden. Viele der Schilder fallen noch kurzer Zeit auf die Fahrbahn, wo sie hundertfach vom tosenden Großstadtverkehr überfahren, verbogen, geprägt und gefaltet werden.

Eva Weinmayr hat eine Sammlung dieser vom urbanen Leben gezeichneten und aufgegebenen Kommunikationsmedien angelegt. Eine Auswahl der Metallschilder hat sie auf der „kommunikativen“ Seite mit changierendem Metallic-Autolack beschichtet. Die bewegten Biografien der Gegenstände werden sichtbar. Dellen und Falten lassen das Licht über die geprägten Oberflächen wandern: Es entsteht ein Lichtspiel im Dialog mit der betrachtenden Person.

Eva Weinmayr, aus der Serie „Road Signs“
Autolack auf Metallschildern
2002-2004

Today’s Question

Das Medium Fax war lange ein zentraler Kommunikationskanal der Gesellschaft. Wie das Internet heute, bot auch das Fax etliche Möglichkeiten für halbseidene Geschäftsgebaren. Um das Jahr 2005 herum liefen in Londoner Büros und Haushalten zum Beispiel tausendfach Faxe ein, die sich als Umfrage zu aktuellen Top-Themen ausgaben. Die Empfänger:innen sollten eine Antwort ankreuzen und an eine bestimmte Telefonnummer zurückfaxen. Die Meinungsäußerung, so wurde versprochen, werde den höchsten politischen Kreisen ausgehändigt, damit sich endlich etwas bewege im Lande. Unterschlagen oder kaum sichtbar erwähnt wurde dabei, dass für die Rücksendung des Faxes horrende Telefongebühren abgebucht wurden – dass hier also über die bewusste Emotionalisierung gesellschaftlicher „Aufreger“ ein knallhartes Geschäft gemacht wurde.

Eva Weinmayr sammelte die Faxe. Sie übersetzte eine Auswahl der schwarz-weißen Papiervorlagen in einer Spezial-Lackiererei für Formel-Eins-Rennwagen mittels Mehrschichttechnik in farbige, großformatige, tiefgründige Lack-Reliefs. Als David Cameron 2010 zum Premierminister Großbritanniens gewählt wurde und die Wohnung in 10 Downing Street bezog, wählten er und seine Frau Samantha zwei Werke der Serie Today’s Question aus der Kunstsammlung der britischen Regierung für Wohnzimmer und Küche aus. In einer seltenen Geste öffnete Cameron dem Filmteam der Londoner Boulevardzeitung The Sun die Tür zu seiner Privatresidenz. Der auf YouTube veröffentlichte Film „A Day in the Life of David Cameron“ zeigt unter anderem die Hängung des Werks „Kill or Vaccinate“ der Serie über dem zentralen Wohnzimmertisch der Camerons.

Eva Weinmayr, aus der Serie „Today’s Question“
Autolack auf Alu-Dibond 125 x 94 cm
2001-2005

What’s the story?

Der Londoner Evening Standard ist mit rund 200 Jahren die älteste und bekannteste Abendzeitung der Welt. Bis etwa 2005 lieferte die Zeitung in vier bis fünf aktualisierten Druckausgaben über den Tag verteilt den jeweils neuesten Nachrichtenstand. Hunderte von Pop-Up-Verkaufskiosken – oft nur ein paar dicke Zeitungsstapel frisch aus dem Lieferwagen direkt auf den Bürgersteig geworfen – brachten das Boulevardblatt mit marktschreierischen Schlagzeilen in wenigen Minuten unter täglich rund 900.000 Leserinnen und Leser. Jede Ausgabe wurde an den provisorischen Verkaufsstellen in der Londoner Innenstadt mit Billboard Postern beworben, welche die Schlagzeile zur jeweils sensationellsten Story der Ausgabe präsentierten.

Die Poster wurden jahrelang vom Verlagsmitarbeiter Pat Maguire mehrmals täglich per Hand mit einem schwarzen Edding-Filzstift geschrieben. Die geschwungenen Versalien seiner Blockschrift erkannte jeder Londoner schon von weitem. Eva Weinmayr traf Maguire zum Interview und befragte ihn zu seiner Arbeit als Überbringer sensationeller Nachrichten. Aus ihrer privaten Sammlung von Evening-Standard-Billboard-Postern setzte sie eine Auswahl besonders prägnanter Schlagzeilen in eine Serie von Monoprints in Siebdrucktechnik um. Der Londoner Künstlerbuchverlag Bookworks veröffentlichte 2005 Weinmayrs konzeptionelles Künstlerbuch „Suitcase Body is Missing Woman”, in dem die Schlagzeilen aus dem jeweiligen Kontext gerissen und alphabetisch geordnet archiviert sind.

Eva Weinmayr aus der Serie „What’s the story?“
Monoprints/Siebdruck, Acryl auf Papier, verschiedene Größen
2003-2008